Charlie Chaplin und die Rede zu seinem 70. Geburtstag

… und was das alles mit Supervision & Coaching zu tun hat:

Kennen Sie das Gedicht „als ich mich selbst zu lieben begann“, das Charlie Chaplin an seinem 70. Geburtstag seinen Gästen vorgetragen hat? Als ich nun letztens diese Webseite erstellt habe, musste ich die ganze Zeit an dieses Gedicht denken, weil es gut zu meinem Verständnis von Supervision und Coaching passt.

Auch wenn ich Chaplin nun nicht kenne, für mich verkörpert er einen Menschen, der sich ernst nimmt, an sich arbeitet (sonst wäre er sicher kein so erfolgreicher Schauspieler geworden) und auch einen gewissen qualitativen Anspruch an seine Arbeitsergebnisse stellt. Liest man nach über sein Leben, stellt sich auch schnell heraus, dass er als früh verwaistes Kind wohl auch eher einen schweren Start hatte. Gleichzeitig, so scheint es mir, konnte er wohl auch recht gut über sich selbst lachen und hat manches vielleicht auch nicht zu ernst genommen. Diese Mischung, die ich ihm heute in seine Persönlichkeit hinein interpretiere, beschreibt bestens, wie ich in der Regel mit Menschen zusammen arbeite. Etwas Ernsthaftigkeit und Anstrengung gehören schon dazu. Gerade wenn man für und mit anderen Menschen zusammenarbeitet, ist ein hoher Anspruch an die eigene Arbeit und die Qualität sehr wichtig. Gleichzeitig aber auch diese gewisse Leichtigkeit und eine Prise Humor, damit man so manche Herausforderung auch gut überwinden kann.

Zudem imponiert mir, wie Chaplin sich in diesem Gedicht ernsthaft und kritisch mit sich und seiner Umgebung auseinander setzt. Zeitgleich schwingt aber auch etwas Wohlwollendes und Freundliches mit. Diese Mischung finde ich wunderbar. Wenn man sich in einem Coaching- oder Supervisionsprozess befindet, dann ist es bereichernd, wenn man vor sich selbst (und Anderen) seine eigenen Entwicklungspotentiale, die eigenen Grenzen zugeben kann und darf. Wenn Raum ist, dass man auch mal etwas ausprobieren, sich vielleicht täuschen, einen Fehler machen kann und es in Ordnung ist. Manchmal hat man vergessen, dass es diesen Raum gibt und es ist schön ihn (wieder) zu entdecken. Und gleichzeitig hat auch jeder Mensch so viele Stärken und wunderbare Seiten an sich. Diese im Beruf einbringen zu können, bereichert in der Regel einen selbst und das gesamte Umfeld und macht einfach glücklich. Kurzum, auch wenn Chaplin-Filme in schwarz weiß waren, so ist die Welt doch bunt und es kann Freude machen die Stärken und die Schwächen bei sich und anderen zu entdecken, sich gemeinsam weiterzuentwickeln und über sich hinauszuwachsen.

Hier kommt der letzte Punkt ins Spiel, der mir bei dem Gedicht so gut gefällt – Chaplin hat es nicht mit 20 oder 30 und auch nicht mit Mitte 50 geschrieben… er war 70. Jahre alt bis er es präsentierte. Es scheint also ein längerer Prozess gewesen zu sein, bis er zu den unten beschriebenen Erkenntnissen kam. Mich persönlich beruhigt das – man darf sich im Leben auch Zeit nehmen, Dinge auszuprobieren und herauszufinden und muss nicht jetzt schon perfekt sein und alles wissen und können. Und ja, manchmal dauert es auch bis man wirklich weiß, was man möchte, was einem gut tut, wo ein guter Platz zum Wirken ist. Außerdem verdeutlicht das Gedicht, dass man Dinge und sogar sich selbst, verändern kann. Neueste Forschungen zeigen, dass unser Gehirn große Plastizität aufweist und man durchaus die Gehirnstruktur und eingefahrenen Muster verändern kann. Ist das nicht spannend?

Wahrscheinlich steckt noch so viel mehr in dem Gedicht und für jede:n von uns etwas anderes. Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen, darüber nachdenken und selbst ausprobieren…

Als ich mich selbst zu lieben begann,

habe ich verstanden, dass ich immer und bei jeder Gelegenheit,
zur richtigen Zeit am richtigen Ort bin
und dass alles, was geschieht, richtig ist –
von da an konnte ich ruhig sein.
Heute weiß ich: Das nennt man Vertrauen

Als ich mich selbst zu lieben begann,
konnte ich erkennen, dass emotionaler Schmerz und Leid
nur Warnungen für mich sind, gegen meine eigene Wahrheit zu leben.
Heute weiß ich: Das nennt man Authentisch sein

Als ich mich selbst zu lieben begann,
habe ich aufgehört, mich nach einem anderen Leben zu sehnen
und konnte sehen, dass alles um mich herum eine Aufforderung zum Wachsen war.
Heute weiß ich, das nennt man Reife

Als ich mich selbst zu lieben begann,
habe ich aufgehört, mich meiner freien Zeit zu berauben,
und ich habe aufgehört, weiter grandiose Projekte für die Zukunft zu entwerfen.
Heute mache ich nur das, was mir Spaß und Freude macht,
was ich liebe und was mein Herz zum Lachen bringt,
auf meine eigene Art und Weise und in meinem Tempo.
Heute weiß ich, das nennt man Ehrlichkeit. 

Als ich mich selbst zu lieben begann,
habe ich mich von allem befreit, was nicht gesund für mich war,
von Speisen, Menschen, Dingen, Situationen
und von Allem, das mich immer wieder hinunterzog, weg von mir selbst.
Anfangs nannte ich das „Gesunden Egoismus“,
aber heute weiß ich, das ist Selbstliebe

Als ich mich selbst zu lieben begann,
habe ich aufgehört, immer recht haben zu wollen, so habe ich mich weniger geirrt.
Heute habe ich erkannt: das nennt man Demut

Als ich mich selbst zu lieben begann,
habe ich mich geweigert, weiter in der Vergangenheit zu leben
und mich um meine Zukunft zu sorgen.
Jetzt lebe ich nur noch in diesem Augenblick, wo ALLES stattfindet,
so lebe ich heute jeden Tag und nenne es Bewusstheit

Als ich mich zu lieben begann,
da erkannte ich, dass mich mein Denken
armselig und krank machen kann.
Als ich jedoch meine Herzenskräfte anforderte,
bekam der Verstand einen wichtigen Partner.
Diese Verbindung nenne ich heute Herzensweisheit

Wir brauchen uns nicht weiter vor Auseinandersetzungen, Konflikten und Problemen mit uns selbst und anderen fürchten,
denn sogar Sterne knallen manchmal aufeinander und es entstehen neue Welten.
Heute weiß ich: DAS IST DAS LEBEN!

Charlie Chaplin